Auf dieser Seite finden Sie die vollständigen Artikel aus der MNU 80 zum Thema Umweltbildung

Bildung für nachhaltige Entwicklung

Die Interviewfragen hat Christine Hüge-Hornauer, Beisitzerin im Vorstand der Kreisgruppe, beantwortet

  1. BNE – magst Du uns das ganz kurz erklären

Ein komplexer Begriff, der leider schwer kurz zu erklären ist. BNE ist die Abkürzung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung.

Bildung! Nachhaltigkeit! Entwicklung.! Zu jedem  dieser Begriffe gibt es viele Definitionen!

Ziel dieses speziellen Bildungskonzepts der UNESCO ist es die Menschen zu befähigen, nachhaltig zu denken und vor allem zu handeln. Dadurch soll der Einzelne in die Lage versetzt werden sein eigenes Handeln und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Welt besser zu verstehen. Dies wiederum befähigt eine nachhaltige, für Menschen verträgliche Zukunft für alle im Kleinen oder Großen mitgestalten zu können. Dafür werden spezielle Gestaltungskompetenzen vermittelt, die helfen, aktiv zu werden. In gewisser Weise lokales Handeln fördern mit Blick auf das Globale.

Die Umsetzung dieses ganzheitlichen und transformativen Bildungskonzepts ist eine Querschnittsaufgabe für alle Handelnden in allen Bereichen und vor allem in Bildungseinrichtungen. BNE soll in den Köpfen der Menschen und in den Institutionen, als whole institution approach, verankert werden. Über das Weltaktionsprogramm (WAP) und die nationalen Aktionspläne (NAP) wird das Konzept bereits mehr und mehr implementiert. Zuständig ist das BMBF und die Bildungsministerien der Länder.

  1. An wen richtet sich das?

Das Bildungskonzept, das seit 1992 das Umweltbildungskonzept der Agenda 2021 weiterführt (Agenda 2030; SDG´S) soll alle Menschen und alle Bildungseinrichtungen ansprechen. Ein ganzheitliches, systemisches Verständnis von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen bildet sich in den Menschen durch das Lernen und Lehren des Konzeptes. Menschen werden, dadurch ermutigt verantwortungsbewusste Entscheidungen in ihrem Umfeld zu treffen. Bildung ist mehr als Wissen und Kompetenzen downloaden, Humanität, Werte und eine NE- Haltung. Wann ist ein Mensch für eine NE gebildet? Wenn er sich befähigt sieht, den Herausforderungen unserer Zeit, wie Klimawandel, soziale Ungleichheit, Kriegen, Ressourcenknappheit, Verlust der Biodiversität etc. zu begegnen. Wenn er Gestaltungskompetenzen, wie kritisches, vernetztes Denken, Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation, die sogenannten Future Skills hat. Dies ist ein lebenslanger Lernprozess. Der NE gebildete Mensch ist in der Lage in seinem Umfeld eine nachhaltige Entwicklung mitzugestalten.

Jeder Mensch trifft täglich weit mehr als 100 Entscheidungen, die er so oder so wählen kann. Was denke ich, wenn ich einen Urlaub plane? Was denke ich, wenn ich meine Arbeit mache, wenn ich ein Schnitzel esse, wenn ich Bekleidung kaufe und vieles mehr? Jeder könnte also aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft teilnehmen. Je nach Stellung, Beruf und Einfluss gibt es unterschiedliche Reichweiten. Die Lücke vom Erkennen zum Umsetzen zu schließen ist die große Herausforderung für jeden in seinem Umfeld.

  1. BNE ist in aller Munde – ist sie auch in guten Händen?

BNE ist bei den Menschen, die sich mit der Implementierung des  Themas in Schulen, Berufsschulen, Universitäten und Firmen auseinandersetzen in guten Händen. (Bildung ist im Kopf, im Herzen und in HANDlungen sichtbar). Es gibt viele Institutionen, NGOs, Behörden oder Wirtschaftsunternehmen, die sich diesem Konzept geöffnet haben. Leicht ist es nicht und es könnte natürlich auch mehr geschehen. Unter welchen Umständen denkt ein Mensch um, ist bereit sich zu verändern, vor allem wie erreichen es unsere Bildungseinrichtungen didaktisch Menschen anzusprechen und ihre Muster in ihrem Bezugsrahmen zu verändern? Das ist nicht leicht und ein Prozess des Try and Error.Zudem gibt es große Veränderungswiderstände, Beharrungskräfte, Egoismen und Ablenkungen bei Menschen und Gruppierungen, die sich durch Veränderungen im eigenen Kopf bzw. im Leben bedroht fühlen und diese Art von Bewusstseinserweiterung und Weiterentwicklung ablehnen, leugnen oder nicht verstehen.Ich bin dennoch zuversichtlich, dass der Nährboden für eine BNE in den letzten Jahren gesetzt wurde und in Zukunft weiter gesetzt werden wird. Mehr wirksame HANDlungen (Z. B. CO 2 Ausstoß senken) wären natürlich auch super.

  1. Was sind Deine persönlichen Erfahrungen – im beruflichen Umfeld als auch in Deinem Ehrenamt beim BN – kommen die Konzepte an und werden sie richtig umgesetzt?

Das BNE-Konzept gibt keine Lösungen vor, was richtig oder falsch ist. Es ist ein Lern und didaktisches Lehrkonzept in dessen Rahmen der Einzelne Lösungen für sein konkretes Thema finden kann (Faire Kleidung kaufen; als Personalchef die Mitarbeiter in CO2 sparen schulen etc.) Seine Gestaltungskompetenzen, seine Bildung für NE ermächtigen den Einzelnen oder auch seine ganze Institution Probleme in seinem Umfeld zu lösen, was wiederum auf die Lösung der Probleme der Welt ausstrahlen kann und ein kleiner Beitrag zu einer besseren Zukunft ist. Es ist ein Korridor des Try and Error in den Lösungen ausgehandelt werden. Keiner hat in einem ganzheitlichen System die 100% Lösung, wie es richtig geht. Dennoch wissen wir durch die Wissenschaft seit Jahren, dass ein bestimmtes Denken, Fühlen und Handeln zu besseren oder schlechteren Gestaltungsformen führen. Es gibt viele Wege z. B. C0 2 zu sparen oder Biodiversität zu erhalten. Wir Menschen verhandeln und vereinbaren, wie es dann ein wirksamer Weg werden könnte.

Ich war seit 2005, als Vertreterin der Bund Naturschutz im Vorstand von BenE® München einem der vielen weltweiten Kompetenzzentren für die Implementierung des BNE-Gedankens in der Stadtgesellschaft. Die Zeit 2005-2014 war als Weltdekade BNE ausgerufen. Jetzt bin ich Mitglied.

Es war eine spannende Aufbruchszeit, in der ich viel Konstruktives über BNE und viele engagierte, tolle Menschen kennen gelernt habe. Die Satzung des Bund Naturschutz wurde in dieser Zeit um das Thema BNE-erweitert. Mittlerweile ist in München viel passiert. Das Konzept wurde vom Stadtrat als „BNE- eine Konzeption für München“ verabschiedet. BenE® München ist weiterhin das „Gewächshaus „und Nährboden für das Bildungskonstrukt. Viele zivilgesellschaftliche Entwicklungen, wie z.B. der „Klimaherbst“ wurden mitangestoßen.

In meiner beruflichen Tätigkeit als Studien -und Berufsberaterin sehe viele Jugendliche, die einen Sinn suchen, indem sie sich passende Gestaltungskompetenzen aneignen wollen. Mittlerweile gibt mehr als tausend Studiengänge und viele Ausbildung, die sich dem Thema aus vielen Perspektiven widmen. Auch die jeweiligen Ausbildungseinrichtungen versuchen im Rahmen des „whole institution approach“ ihre gesamte Institution nachhaltig zu gestalten und auf den ökologischen Fußabdruck zu schauen.

  1. Was hättest Du noch für Vorschläge, damit der Trend, dass sich junge Menschen weniger für Umweltschutz interessieren als noch  vor 2 Jahren, nicht fortsetzt

Ich nehme diesen Trend so nicht wahr. Das Interesse und Bewusstsein zu diesem Thema sehe ich bei Jugendlichen weiterhin. Das erlebe ich jeden Tag in Schulen und in der Beratung. Schließlich werden diese Generationen den Klimawandel und die Folgen hautnah erleben. Die sog. Stapelkrisen (Corona, Kriege, Komplexität der Welt etc.) haben zugenommen, ebenso die Ablenkung und Manipulation durch die Social Media Kanäle. Die Natur kommt zu kurz. Viele Jugendliche sind „denaturiert“ Sie fühlen sich ohnmächtig, ängstlich und in einer Starre. Zudem fehlt oft die Zeit und das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Nach dem demografischen Baum werden die Jugendlichen zudem weniger. Also, das Interesse ist da, was fehlt oder zurückgeht ist die Fähigkeit zum selbstwirksamen Gestalten.

Oberstes Ziel wären für mich Workshops (Vom Erkennen zum Umsetzen) in der Natur. Eigenverantwortliche Projekte und Spiele, die Gestaltungskompetenzen vermitteln, bestärken und ermutigen. Umweltpsychologische Killerargumentationen entlarven, Resilienz und Salutogenese Exkursionen in der Natur, systemische Nachhaltigkeitsspiele und Projekte stärken die Selbstwirksamkeit. Gestaltungskompetenzen der Zukunft, Future Skills v können in vielfältigen Varianten und Spielen in Kooperation mit anderen geübt werden und nützen für den Arbeitsmarkt. Soziale Medien könnten bespielt werden für niederschwellige, vertrauensvolle Informationsangebote mit Bezug auf Umsetzungsprojekte in der analogen Welt, an denen Jugendliche teilnehmen. Authentische Mentoren und Vorbilder bzw. inspirierende Vorbilder könnten als BNE-Mentoren oder BNE-Botschafter fungieren.

5.10.2024  Christina Hüge-Hornauer