Foto: BN
1. Vision eines Munich Central Park
Der BUND Naturschutz entwickelte eine Projektvision mit dem Namen ‚Munich–Central–Park‘, damit die Verkehrswende gelingen und der Klimawandel wirksam bekämpft werden kann. Die Vision umfasst einen neuen etwa 5,5 Hektar großen Park in der Münchner Innenstadt, der auf dem historischen Grün und dem Verkehr im Wandel basiert. Nach Plänen des BN soll auf der Achse des westlichen Altstadtrings, vom Sendlinger Tor bis zur Brienner Straße, eine vollständig durchgängige Parkanlage entstehen.
Der Park schafft nicht nur Aufenthaltsqualität vor Ort, sondern hilft zukünftig enorme Hitzewellen durch den Klimawandel abzusenken. Ausgehend von der momentanen Entwicklung können bei globalen Temperaturanstiegen die Spitzentemperaturen in Münchens Innenstadt teils über 8 Grad Celsius ansteigen. Das bedeutet Mittagstemperaturen bis zu 45 Grad Celsius besonders an sonnenbeschienenen Plätzen wie dem Karlsplatz/Stachus. Mit diesen Graden stellen sich gesundheitliche Gefahren für Kinder, ältere Menschen, Arbeitnehmer*innen, auch für Tiere außerhalb von Gebäuden ein.
2. Historisches:
Das Sendlinger Tor, die Sonnenstraße mit dem Stachus bis zum Lenbachplatz haben sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte deutlich gewandelt. In der frühen Neuzeit verlief entlang der Sonnenstraße die ehemalige mittelalterliche Befestigungsanlage der Stadt, die nach dem Abbruch der Mauern für öffentliche Grünflächen und Gärten genutzt wurde. Die Sonnenstraße wurde durch den Bedeutungsgewinn des Verkehrs, besonders durch das Automobil, maßgeblich beeinflusst. So wichen Grünflächen dem Ausbau der Straße (Rädlinger (2020): Historisches Grün in München. Altstadt und Umgebung).
Bis in die 1930er Jahre war die Sonnenstraße ein grüner Boulevard. In der Nazizeit wurde die Straße wie viele Straßen umbenannt und bekam glücklicherweise nach 1945 ihren alten schönen Namen zurück. Auch baulich wurde sie Ende der 1930er-Jahre total verändert und sollte einem größenwahnsinnigen Bauprojekt Hitlers und seines Architekten Albert Speer unterworfen werde. (https://www.merkur.de/lokales/muenchen/so-wollte-adolf-hitler-muenchen-umbauen-plaene-veroeffentlicht-zr-6340807.html ).
Der historische Verkehr in der Sonnenstraße war womöglich stärker, als es den damaligen Stadtplanern lieb war. Deshalb wurde die Matthäuskirche, die damals noch in der Sonnenstraße am Stachus stand, 1938 kurzerhand gesprengt, abgerissen und erst nach dem Zweiten Weltkrieg am Sendlinger Tor wieder aufgebaut. (https://www.sueddeutsche.de/muenchen/matthaeuskirche-im-nationalsozialismus-machtdemonstration-mit-der-abrissbirne-1.1693199)
Ein Zurück in die begrünte Zeit der Sonnenstraße, wie vor den Weltkriegen, wurde allerdings nie ernsthaft angedacht. Die Sonnenstraße wurde eine der Hauptverkehrsadern der Landehauptstadt. In den 1950er-Jahren war der Stachus einer der verkehrsreichsten Plätze in Europa und entbehrte jeglicher Aufenthaltsqualität. Die extrem hohen Feinstaub- und Stickstoffdioxidwerte waren jahrelang Thema der öffentlichen Diskussion und sind es leider auch heute noch. (https://www.sueddeutsche.de/muenchen/stickoxid-messungen-durchatmen-am-stachus-1.4282308)
Alle historischen Bilder: Stadtarchiv München
3. Heutige Ausgangslage:
Verkehr
Der starke Verkehr entlang des westlichen Altstadtrings zerschneidet die Stadt und trennt das Viertel rund um den Hauptbahnhof von der Altstadt ab. Bis zu vier Fahrspuren – teilweise sogar mit einer zusätzlichen Abbiegespur – sorgen dafür, dass diese Strecke eine vielbefahrene Durchgangsstraße ist. Die Wenigsten müssen und wollen mit dem eigenen PKW in die Innenstadt fahren. Damit stellt sich dem BN die Frage, ob die Innenstadt mitsamt einiger Prachtbauten nicht viel zu schade ist, um als Kulisse für den tosenden Durchgangsverkehr herzuhalten?!
Klimatische Situation
Auf den Klimafunktionskarten der Stadt München lässt sich deutlich erkennen, wie sich die Innenstadt hinsichtlich der Temperatur-Höchstwerte entwickeln könnte, wenn keine Gegenmaßnahmen zur Abkühlungsmöglichkeit geschaffen werden. Bäume haben wichtige klimatische Funktionen: Sie spenden Schatten, binden CO2 und erzeugen Sauerstoff. Ohne Bäume wird es auf versiegelten Flächen schnell sehr warm.
Hier gibt es weitere Infos zu den klimatischen Funktionen von Bäumen
Aufenthaltsqualität
Haben Sie sich schon einmal am Stachus mit Freund:innen verabredet, um den Abend gemeinsam entlang der Sonnenstraße zu genießen? Sicherlich nicht. Der starke Verkehr, mangelnde Bäume und Grünflächen, sind nicht nur trostlos, auch die fehlende Sitzgelegenheiten sorgen für keinerlei Aufenthaltsqualität. Auch ist es älteren oder mobilitätseingeschränkten Menschen bei starker Hitze nicht zuzumuten, vom Sendlinger Tor bis zum Stachus zu Fuß zu gehen. Für kleine Kinder ist der immense Verkehr viel zu gefährlich. Dieser Zustand sollte unbedingt geändert werden. Der Munich Central Park leistet einen Beitrag dazu!
Ziele des Stadtrats
Die Ziele des Münchner Stadtrats geben eine deutliche Verkehrsreduzierung, stärkeren Klimaschutz und mehr Grün in der Stadt vor. Der Rahmen ist eigentlich gesteckt und jetzt muss er nur noch mit Inhalt gefüllt werden. Mit dem Munich Central Park würden wir damit ein Schritt näher kommen!
4. Künstlerische Vision
Ende 2021 hat der BN München den Künstler und Kommunikationsdesigner Jan Kamensky beauftragt, ein Video auf Basis seiner bisherigen Arbeiten zur Vision eines Munich Central Park anzufertigen. Hier sehen Sie das Ergebnis:
https://www.youtube.com/watch?v=gs4bhWCl3k8
Zum Künstler:
Jan Kamensky lebt und arbeitet in Hamburg. Im Jahr 2020 startete der Kommunikationsdesigner und Künstler das Projekt seiner utopischen Animationen. Die verlassenen Straßen Hamburgs zu Beginn der Corona-Pandemie inspirierten ihn zu einer spielerischen Transformation von autodominierten Straßen zu menschenfreundlichen Orten.
Die utopische Herangehensweise trägt dabei eine entscheidende Funktion: Nachdem die Betrachter:innen einen Blick auf die Utopie haben werfen können, kehren sie mit einem geschärften Blick in die Realität zurück. Das stellt eine Einladung zur Reflexion über die gegenwärtige Situation dar. Die Bewusstseinserweiterung steht im Vordergrund, nicht primär die Realisierbarkeit. Wobei sich Kamensky durchaus über die Umsetzung freuen würde!
5. Realitätscheck
Auf Basis der Vision des Utopisten Kamensky entwickelten Landschaftsplaner einen Grundriss und konnten so zeigen, dass aus einer Utopie Realität werden kann – die Platzverhältnisse lassen dies zu.
Auch die Landeshauptstadt München hat eine eigene Projektidee im Freiraumkonzept.
6. Passant:innenbefragung
Damit zusätzlich zu den Visionen und Realisierungen ein Stimmungsbild der Menschen entsteht, für die der Munich Central Park gedacht ist, hat der BN Anfang 2022 eine Bürger:innenbefragung durchgeführt. 120 Passant:innen und 30 Gewerbetreibende wurden zwischen Sendlinger Tor und Stachus befragt. Eindrucksvoll war, dass die meisten fanden, dass es mehr Grün braucht und viele sich für weniger Verkehr aussprachen.
Bürger:innenbefragung Munich Central Park
7. Zeithorizont
Natürlich dauert ein solch großer Umbau einige Zeit. Schienen müssen verlegt, Untersuchungen angestellt und ein städtebaulicher Wettbewerb ins Leben gerufen werden. Wenn wir aber an den Klimawandel denken, dann ist es vor allem wichtig, schnellstmöglich mit so einem Projekt anzufangen. Bäume benötigen 40 Jahre, bis sie ihre Wirkkraft entfalten und groß genug sind, ausreichend Schatten zu spenden – los geht‘s – fangen wir an!
8. Munich Central Park-Tram
Mit dem Projekt Munich Central Park-Tram hat sich die Kreisgruppe München beim Mobilitätsreferat um eine Projektförderung zum 2. Mobilitätskongress der LH München beworben und den Zuschlag erhalten!
Die Sonnenstraße bietet heute vor allem eins: Autoverkehr. Aber das war nicht immer so und muss in Zukunft auch nicht so bleiben! Die ganz Stadt ist einem ständigen Wandel unterworfen und wer Verständnis und Einsicht in die bisherigen Umgestaltungen hat, der ist vielleicht auch eher bereit sich auf eine veränderte Mobilität in München, mit deutlich weniger motorisiertem Individualverkehr, mehr Radfahrer*innen und mehr Aufenthaltsqualität einzulassen.
Den oben angesprochenen stetigen Wandel zeigen wir mit einem Audioguide bei einer Sonder-Trambahnfahrt. Die Geschichte des Verkehrs wie auch der Stadtgestaltung waren dabei Thema. Auf der Rückfahrt ging es in die Zukunft – mitten durch unseren Munich Central Park, unserer Vision für die Sonnenstraße bis hin zur Brienner Straße. So können die Fahrgäste während der Fahrt auf Tablets selber erleben, wie die Zukunft der Sonnenstraße aussehen könnte.
Die neu gestaltete Visualisierung (Lenbachplatz bis Sendlinger Tor-Platz)beruht auf frei zugänglichen Google-Drohnenflügen in die fair fleet unsere Vision eingebaut hat – hier können sie diese anschauen:
Der Audioguide ist hier bald abrufbar:
Wir bedanken uns bei der LH München, bei den Bezirksausschüssen BA1, BA2 und BA3 sowie bei der Selbach-Umwelt-Stiftung für die Unterstützung
Mit der Tram in die Verkehrswende
Am Sonntag, den 03.09.23, veranstalten wir ab 16 Uhr kostenlose Trambahnfahrten, in der wir mit einem Audioguide über den Mobilitätswandel der Münchner Innenstadt informieren und mit einer Visualisierung zeigen, wie die Sonnenstraße in Zukunft als Munich Central Park aussehen könnte.
Kommen Sie vorbei und genießen Sie eine der 30-minütigen kostenlosen Trambahnfahrten. Start ist ab 16 Uhr am Sendlinger Tor zu jeder halben und vollen Stunde!
Wir danken dem Gewinn-Sparverein der Sparda-Bank München e. V. für die freundliche Unterstützung.
Der Audioguide und die Visualisierung, sowie die Sonderfahrten der Munich Central Park-Tram, wurden durch das Mobilitätsreferat im Rahmen des Mobilitätskongresses der Stadt München gefördert. Das Projekt wird noch dazu unterstützt von den Bezirksausschüssen 1, 2 und 3 sowie von der Selbach-Umwelt-Stiftung.