Jungbiber sitzt im Westermühlbach fest
Zu einem ungewöhnlichen Rettungseinsatz wurde der BUND Naturschutz (BN) in München in den letzten Tagen gerufen. Anwohner informierten den BN telefonisch, dass ein Jungbiber im Westermühlbach festsaß. Das Tier konnte die senkrechten und glatten Betonwände des Kraftwerkskanals und die angrenzenden Metallzäune nicht mehr aus eigener Kraft überwinden. Trotz seiner misslichen Lage wollte sich das Tier jedoch nicht helfen lassen. Sämtliche Rettungsversuche der Unteren Naturschutzbehörde und der Feuerwehr scheiterten. Immer wieder flüchtete das Tier, obwohl es sichtlich erschöpft war. Die rettende Idee hatte dann BN-Biberexpertin Angela Burkhardt-Keller.
„Das Tier brauchte einen Unterschlupf um wieder zur Ruhe zu kommen, doch es gab hier keine geeignete Stelle im Kraftwerkskanal. Wir haben dem Tier dann über Nacht eine leere Papiertonne als Behelfsunterkunft angeboten. Diese hat es dankbar angenommen. Am nächsten Morgen musste ich nur noch Tonne mit Biber aus dem Gelände rollen. Zusammen mit der Unteren Naturschutzbehörde haben wir den Biber in einer Transportbox dann zur Isar gefahren und dort wieder freigelassen. Zum Schluss waren alle glücklich, dass die Geschichte so gut ausgegangen ist: Biber, AnwohnerInnen und natürlich auch wir. Bevor der Biber in der Isar verschwand, haben wir ihm noch alles Gute für seinen weiteren Weg gewünscht.“
Die Rettungsgeschichte in Bilder finden Sie unter dieser Pressemitteilung.
Aktuell häufen sich beim BUND Naturschutz (BN) in München die Meldungen über Biber, die tagsüber im Stadtgebiet unterwegs sind. Normalerweise sind die Tiere dämmerungs- und nachtaktiv. Doch derzeit werden die zweijährigen Biber aus den elterlichen Burgen vertrieben um Platz für den Nachwuchs zu machen, der demnächst geboren wird.
„Die Menschen sind überrascht, Biber mitten in der Stadt und noch dazu am Tag zu sehen, doch das ist derzeit nicht außergewöhnlich.“, erklärt Manfred Siering, stellvertretender Vorsitzender des BN in München.
Bei diesen Bibern handelt es sich in der Regel um Jungtiere, die nach zwei Jahren geschlechtsreif werden und von ihren Eltern aus der Biberburg und dem Revier vertrieben werden. Diese erwarten nämlich neuen Nachwuchs, weshalb die älteren Geschwister weichen müssen. Nur noch die Jungen aus dem Vorjahr werden von den Eltern in der Burg und im Revier geduldet. Mit diesem Verhalten sichert sich die Biberfamilie die Nahrungsgrundlage vor Ort. Die Reviergröße ist auf eine Biberfamilie mit Jungen aus zwei Jahrgängen ausgelegt. Eine durchschnittliche Biberfamilie besteht damit aus etwa fünf bis sechs Tieren: zwei Elterntiere sowie ein bis zwei Junge aus dem aktuellen Jahr und ein bis zwei Junge aus dem Vorjahr.
„Die Biber sorgen selbst dafür, dass ihre Zahl vor Ort nie über eine Familiengröße hinaus anwächst. Doch die zweijährigen Jungbiber zahlen einen hohen Preis dafür, auf eigenen Pfoten unterwegs zu sein. Auf der Suche nach einem neuen Revier lauern zahlreiche Gefahren. Nur wenigen Tieren gelingt es, ein neues Revier zu finden und dort eine eigene Familie zu gründen.“ ergänzt Angela Burkhardt-Keller, Biberexpertin des BN in München.
Da in München alle für Biber geeigneten Reviere besetzt sind, müssen sie sich mit den Revierinhabern auseinandersetzen. Die verteidigen ihre Reviere wortwörtlich mit Klauen und Zähnen, Verletzungen sind daher häufig. Weichen die Wanderer an Land aus, um den Kämpfen zu entgehen, werden sie immer wieder Opfer des Straßenverkehrs. Ein Großteil der Jungbiber überlebt diese Wanderzeit nicht. Neben dem Straßenverkehr sind die großen Wunden, die sich die Biber bei den Revierkämpfen mit Rivalen zuziehen und die sich häufig entzünden, die häufigste Todesursache.
„In München können Menschen und Biber friedlich nebeneinander leben. Einfache Maßnahmen, wie das Anbringen von Schutzgittern um wichtige Bäume oder Ablenkfütterungen reichen normalerweise, um dem Biber seine Nahrung und gleichzeitig den Erhalt der Parkanlagen zu sichern. Biber sind ein wichtiger Beitrag zur Artenvielfalt in der Stadt und schenken uns Menschen einmalige Naturerlebnisse. Man braucht nur etwas Glück, um die Tiere auch einmal zu sehen.“ so Burkhardt-Keller abschließend.