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Stadtentwicklungsplan 2040 will Grünzug bebauen

Mit großer Verwunderung hat der BUND Naturschutz (BN) den kürzlich von Oberbürgermeister Dieter Reiter und der Stadtplanungsreferentin Elisabeth Merk vorgestellten Stadtentwicklungsplan 2040 zur Kenntnis genommen. Bereits beim ersten Blick auf den Plan, der die strategische Ausrichtung der Münchner Stadtplanung in Zeiten des Klimawandels und immer knapper werdender Grünflächen beschreiben soll, zeigen sich gravierende Mängel.

So verstößt der Stadtentwicklungsplan bereits gegen die im Koalitionsvertrag von Grün-Rot getroffenen Vereinbarungen. Dort ist auf Seite 8 beispielsweise festgelegt „Erweiterung und dauerhaft rechtliche Sicherung der regionalen wie städtischen Grünzüge und Kaltluftschneisen…“. In den Protokollnotizen (Seite 41) heißt es weiter:
Stadtentwicklung, Wohnungsbau und Mieter*innen-Schutz
Alle Wälder, Grünflächen, Parkanlagen, Naturschutzgebiete, FFH-Gebiete, Geschützte Landschaftsbestandteile, Ausgleichsflächen, Regionale Grünzüge, Städtische Grünzüge, Flächen mit altem Baumbestand in München werden flächenmäßig noch 2020 bilanziert. Die bilanzierte Fläche wird erhalten, weder bebaut noch für andere Infrastrukturmaßnahmen verwendet. Wird eine Fläche trotzdem bebaut, muss an anderer Stelle im Stadtgebiet diese Fläche in der gleichen oder sogar höheren Wertigkeit wieder entstehen. Das gilt für Grün- und Ackerflächen (auch in Grünzügen). Naturschutzgebiete, FFH-Gebiete, alle Flächen, die schwierig wiederhergestellt werden können (Moore, Feuchtgebiete und Wälder), Flächen mit altem Baumbestand, Grünzüge und alle Wälder müssen nicht nur in der Fläche, sondern auch in der Lage erhalten werden.

„Wir fragen uns, ob der Oberbürgermeister allen Ernstes mit diesem Plan einseitig den Koalitionsvertrag aufkündigen will. Anders lässt sich der Stadtentwicklungsplan kaum deuten, der den bereits seit Langem vom Stadtrat beschlossenen Landschaftspark im Münchner Westen jetzt als Fläche für Siedlungsentwicklung umdeuten will.“, so Dr. Thorsten Kellermann, stellvertretender Vorsitzender des BN in München.

„Es wäre in Europa wohl einmalig, dass der Stadtrat den Bürgerinnen und Bürgern einen Park verspricht und der Oberbürgermeister genau diesen Park als Fläche für Siedlungsbau vorstellt. Wir fordern deshalb den Stadtrat auf, sich klar zum vollflächigen Erhalt des Landschaftsparks Laim-Hadern-Blumenau-Pasing einschließlich der städtischen Baumschule zu bekennen und jegliche Bebauungspläne dort aus dem Stadtentwicklungsplan zu streichen. Außerdem fordern wir für alle anderen Grün- und Freiflächen, Wälder, Schutzgebiete und Grünzüge in der Stadt sowie am Stadtrand einen Planungsstopp, bis die angekündigte Bilanzierung vorliegt.“, ergänzt Kellermann.

Wie wichtig zusammenhängende und vor allem unbebaute Flächen für die Anpassung an den Klimawandel sind, wurde erst kürzlich durch eine Studie des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gezeigt. Schon jetzt ist der Klimawandel in München deutlich spürbar. So nehmen warme Sommertage seit Beginn der DWD-Messungen in München (1955) zu und die Durchschnittstemperatur stieg um 0,31°C pro Dekade. Dieser Trend wird weiter anhalten. Der Wärmeinseleffekt in der Stadt wird laut Studie durch den fortschreitenden Klimawandel zu einer starken Hitzebelastung im Stadtgebiet führen. Vor allem alte Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen werden unter der starken Hitzebelastung leiden. Eine andere Studie der TU München kommt zu dem Ergebnis, dass infolge Klimawandel und Abnahme des Grünanteils in der Stadt, z.B. durch Nachverdichtung, in München mit einem Anstieg der Maximaltemperaturen von über 8 Grad gerechnet werden muss!

Um einer Überhitzung der Stadt an besonders heißen Tagen entgegenzuwirken, ist es auch im Sinne der langfristigen Anpassung an den Klimawandel von existentieller Bedeutung, die Kaltluft- oder Durchlüftungsschneisen von Bebauung frei zu halten. Die Studie betont explizit, dass die Funktionsfähigkeit der Münchner Luftaustauschbahnen zu erhalten sei.

Auf den ersten Blick scheint der Stadtentwicklungsplan dies zu berücksichtigen. Kaltluftleitbahnen, Grünzüge und Flächen mit (sehr) hoher bioklimatischer Bedeutung werden gekennzeichnet. All diese Funktionen treffen beispielsweise auch auf den Landschaftspark West zu. Doch die genauere Betrachtung zeigt, dass die Bezeichnung „Differenziertes, multifunktionales Grün für Landschafts-, Siedlungs- und Freiraumentwicklung am Stadtrand“ in der Legende zur Karte „Freiraum“ nicht mehr ist, als Schönfärberei und der Versuch, von der eigentlich geplanten Bebauung abzulenken.

So lenken die Karten „Stadtentwicklung“ und „Mobilität“ im Landschaftspark den Fokus auf eine großflächige Bebauung, indem er als urbanes, sozial gemischtes und klimaneutrales Quartier und Quartier für innovative Mobilität gekennzeichnet wird. Das entlarvt die Aussagen zum Wert der Freiflächen als reine Worthülsen. Selbst die Karte „Klimaschutz“ bedeutet nicht zwingend Freiflächenerhalt: Hier ist der Landschaftspark als Untersuchungsraum für neue Geothermieanlagen vorgesehen. Welcher Flächenverbrauch für Erschließung, Kraftwerksanlage und Nebenanlagen damit einhergeht, zeigen die Geothermieanlagen in Freiham oder Unterhaching. Dort wurde jeweils knapp die Fläche eines Fußballfeldes verbraucht. Ebenfalls ein klarer Widerspruch zu den Zielsetzungen im Koalitionsvertrag.

Und nicht zuletzt ist der Landschaftspark auf der Karte „Freiraum“ nicht einmal mehr als größerer Park, Grünanlage oder Freiraum dargestellt. Lediglich ein dünner grüner Strich soll hier eine sogenannte „Freiraumachse“ andeuten. Dieselbe Signatur findet sich zum Beispiel für das Straßenbegleitgrün entlang des Altstadtrings, mitnichten ein Ort, der als qualitativer grüner Freiraum und Naherholungsraum bekannt ist.

„Wir sehen nicht, dass die Flächen, die der Stadtrat laut Koalitionsvertrag vor einer Bebauung schützen will, vollständig in den neuen Stadtentwicklungsplan mit eingeflossen sind. Ganz im Stil einer Salamitaktik sollen mit dem Stadtentwicklungsplan also bereits wieder Flächen für die Bebauung vorgesehen werden, bevor überhaupt alle wichtigen Freiflächen bilanziert worden sind und effektiv vor Bebauung geschützt werden.“, so Dr. Rudolf Nützel, Geschäftsführer des BN in München.

„Aus Sicht des BN ist der Erhalt von großen, unbebauten Freiräumen zur Naherholung und zum Erleben von Natur innerhalb Münchens vor allem auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Viele Menschen können sich längere Fahrten in Erholungsgebiete nicht leisten. Für sie sind innerstädtische Freiflächen wie der Landschaftspark im Münchner Westen die einzige Möglichkeit, überhaupt ins Grüne zu kommen.“ so Nützel abschließend.