München, den 5.8.2021
LBV und BN fordern bei Planungen im
Münchner Norden verstärkte Berücksichtigung
von Klima- und Naturschutz
Nach den großflächigen Planungen für den Münchner Nordosten hat der Stadtrat am 22. Juli 2020 eine Überplanung für den Münchner Norden beschlossen. Im Zuge der Maßnahme soll auf 900 Hektar ein neues Stadtquartier entwickelt werden. Wie schon für den Nordosten haben BUND Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) auf der Grundlage einer umfassenden Recherche Flächen im Planungsgebiet unter Aspekten des Klima- und Naturschutzes bewertet. In ihrem gemeinsamen Positionspapier fordern die beiden Umweltverbände dem Natur- und Klimaschutz in der Planung mehr Gehör und Gewicht zu verschaffen.
„Ergebnis der Auswertung ist, dass sich für eine weitere Bebauung im Norden von München aus Sicht des Klima- und Naturschutzes nur Flächen zwischen der bestehenden Siedlung Feldmoching und der Autobahn eignen“, stellt Christian Hierneis, 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe München, klar. „Die seit Jahrzehnten gemachten Fehler der Stadtplanung dürfen sich nicht wiederholen. Die noch vorhandenen klimatischen und ökologischen Funktionen des Gebietes müssen erhalten bleiben. Der Klimawandel ist mittlerweile deutlich spürbar und ebenso ist das Artensterben ein unumstößlicher Fakt. Zerschneidung und Versiegelung von Freiflächen befeuern dabei die Auswirkungen des Klimawandels und sind eine der Hauptursachen für den Artenrückgang. Die Landwirtschaft im Norden trägt mit ihrer Form der Bewirtschaftung dazu bei, dass diese große Artenvielfalt hier noch vorhanden ist. Die hohen Grundwasserstände sorgen dafür, dass hier auch in Trockenzeiten regionale Lebensmittel produziert werden können. Die für die Bebauung notwendigen Grundwasserabsenkungen sind – wie im Nordosten – in Zeiten des Klimawandels und der landesweit sinkenden Grundwasserstände aus unserer Sicht unbedingt zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht macht in seinem Urteil klar, dass die Klimaanpassung staatliche Aufgabe ist. Wir müssen uns an den Klimawandel anpassen und das Artensterben stoppen, anstatt beides weiter zu befeuern.“
Das Planungsgebiet beinhaltet weitgehend unzerschnittene Freiräume, die in München mittlerweile selten geworden sind. Ein großer Teil des Gebietes ist Teil eines regionalen Grünzuges. Regionale Grünzüge sollen klimatische und ökologische Funktionen für München und die Region sichern.
Die Flächen im Planungsumgriff leisten einen signifikanten Beitrag zur Kaltluftentstehung und zur Belüftung mittels Frischluftschneisen. Funktionen, die es-sentiell sind, um dem immer stärker werdenden Wärmeinseleffekt entgegentre-ten zu können.
Auch für den Artenschutz und die Biotopvernetzung, wie sie u.a. im Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ gefordert wurden, ist das Planungsgebiet von Bedeutung. So dient die fast unbebaute Landschaft dem derzeit noch in München vorkommenden Kiebitz als Brutgebiet. Der Kiebitz ist in Bayern durch die Intensivierung der Landnutzung stark gefährdet und rückläufig. Das auf den Karten dargestellte Gebiet ist eines der letzten Bruträume und gleichzeitig Teil des bedeutendsten innerhalb der Münchner Stadtgrenzen. Hinzu kommen Arten wie die Feldlerche, die hier ebenfalls noch Brutstrukturen vorfindet.
„Jede weitere Bebauung würde das Brutgebiet zerstören. Denn Kiebitze und Feldlerchen stellen an ihre Bruthabitate besondere Ansprüche und können nicht auf grüne Dächer oder Parks ausweichen“, sagt Dr. Sophia Engel, stellvertretende Geschäftsführerin der LBV-Kreisgruppe München. „Wir sehen ein dramatisches Artensterben und dürfen die Verantwortung dafür nicht weiter von uns wegschieben und den Naturschutz zur Randnotiz in der Stadtplanung machen. Neben der Freihaltung von Bebauung muss die Situation für Kiebitze und andere seltene Arten im Gebiet sogar verbessert werden. Es ist für unsere Biodiversität von enormer Bedeutung aktiv etwas zu tun.“
Wichtige Vernetzungsachsen im Planungsgebiet verbinden naturschutzfachlich bedeutsame Flächen in der Innenstadt, wie das Virginia-Depot, mit geschützten Landschaftsbestandteilen, FFH-Gebieten und dem Grüngürtel. Diese Vernetzung muss gewährleistet sein, um den Austausch zwischen Populationen von beispielsweise Wechselkröte, Zauneidechse und Blauflügeliger Ödlandschrecke zu ermöglichen und dem Aussterben lokaler Populationen entgegenzuwirken. Wichtige aquatische Vernetzungsachsen für beispielsweise Biber, Libellen und Eisvogel stellen die Gewässer mit ihren bewachsenen Uferbereichen im Gebiet dar. Eine Bebauung muss auch hier ausgeschlossen werden. Vielmehr ist ein Ausbau der Vernetzungsfunktion anzustreben.
Die Kulturlandschaft um Feldmoching mit Seen und Bächen stellt ein wichtiges und einfach zu erreichendes Naherholungsgebiet für die gesamte Bevölkerung vor Ort dar. Zudem verbindet sie weitere Gebiete zum Naturerleben auf kurzen Wegen miteinander. Dies macht sie bedeutsam für die Lebensqualität und Gesundheit der Münchner Bevölkerung. Denn gerade im dicht bebauten München ist die Bevölkerung auf große Freiräume zur Naherholung und zum Erleben von Natur angewiesen. Das Naturerleben hat dabei positive Einflüsse auf die menschliche Gesundheit. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass allgemein der Verlust von Natur in Stadtgebieten auch auf Kosten der Lebensqualität geht. Diese Freiflächen müssen zudem auf kurzem Wege erreichbar sein, da viele Bürger*innen sich Reisen in weiter entfernte, naturnahe Orte nicht leisten können. Somit ist die Verfügbarkeit, die ökologische Aufwertung und der flächenmäßige Erhalt dieser Gebiete im Stadtgebiet auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.
„In München brauchen wir bezahlbaren Wohnraum und bezahlbare Naherholung“, meinen Engel und Hierneis.
Dokumente
- Übersicht der schützenswerten Bereiche im Gebiet der geplanten städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) München-Nord (Darstellung: BN; Geobasisdaten: Bayerische Vermessungsverwaltung; Schutzgebiete und ABSP Flächen: Bayerisches Landesamt für Umwelt, Daten aus FIS-Natur; für eine ausführliche Quellenübersicht, siehe die Präsentation des BN und LBV zur SEM München-Nord ab Seite 22)
- Positionspapier von BN und LBV zur SEM München-Nord